Der 58-jährige Nikolaus Gstättner ist eine Institution im heimischen Kickboxsport. Nach seiner aktiven Karriere war der Kärntner viele Jahre als Vereins- und Bundestrainer tätig, ehe er als Management Direktor im Österreichischen Bundesfachverband für Kick- und Thaiboxen die administrativen Geschicke in die Hand genommen hat und in den letzten Jahren gemeinsam mit einem engagierten Team bereits viel bewegen konnte. Darüber hinaus ist der Jurist auch im Vorstand des Weltverbandes und konnte die internationale Entwicklung mit seinem Know-how und seinen Ideen mitgestalten.
Seit vielen Jahren sind Sie eine prägende Persönlichkeit im Kickboxsport. Können Sie sich noch an Ihre Anfänge erinnern?
Nikolaus Gstättner: Natürlich kann ich mich noch erinnern, auch wenn es doch schon etwas her ist. Im Alter von 13 Jahren haben vor allem die bekannten Kung-Fu-Filme mit Bruce Lee mein Interesse für den Kampfsport geweckt – das hat mich und meine Freunde sehr gereizt. Ich war damals nicht das sportlichste Kind, aber ich wollte das unbedingt ausprobieren. Zuerst haben wir aber mit Karate begonnen und im Laufe der Zeit kam dann der Wettkampfeifer dazu. Da Karate ein non-Contact-Sport war, wollten wir herausfinden, wie es ist, wenn man den Gegner auch wirklich trifft – das war dann die attraktivere Alternative für uns. Danach war ich jahrelang als Kickboxer aktiv, mit kleineren Ausflügen zum traditionellen Boxen. Nach meiner Karriere als Wettkampfsportler bin ich noch viele Jahre als Trainer tätig gewesen, ehe ich in das Funktionärswesen beim Österreichischen Bundesfachverband für Kick- und Thaiboxen eingestiegen bin.
Sie sind nun seit etwas mehr als 45 Jahre in verschiedenen Funktionen bei diesem Sport. Was für eine Bedeutung hat Kickboxen für Sie?
Gstättner: Am Anfang war das alles so nicht absehbar. Wir haben nicht wirklich an den Sport gedacht, zunächst war es mehr der Wunsch sich effektiv selbstverteidigen zu können. Mich hat Kickboxen persönlich schnell begeistert, da man mit einer guten Taktik und Strategie sowie einer guten Psychologie viel herausholen kann. Die Entscheidung fällt im Kampf meistens auf diesen Ebenen, da die meisten Athletinnen und Athleten körperlich gleichwertig in einem sehr guten Zustand sind. Das hat mich immer schon fasziniert, egal in welcher Funktion. Irgendwann kommt dann eine Phase, in der man anfängt, sich über den Verband und die Rahmenbedingungen zu ärgern – da gab es dann nur eine Option, selbst versuchen es besser zu machen. Aber das Feuer und die Leidenschaft für das Kick- und Thaiboxen ist mir bis heute geblieben.
Als Management Direktor hat man nicht nur viel Verantwortung, sondern es stehen wohl auch viele Dinge am Zettel. Was haben Sie aktuell auf der Agenda?
Gstättner: Das stimmt, es laufen sehr viele Dinge zusammen. Vor fast 20 Jahren haben wir im Verband eine Aufgabenverteilung vollzogen, da eine Einzelperson neben dem Beruf, der Familie und anderen Dingen sich nicht um alles kümmern kann. Wir haben uns ein Beispiel an der Wirtschaft genommen, da gibt es auch meistens zwei bis vier Vorstandsmitglieder. Die Position des Sprechers, die sämtliche Behördenwege und den Austausch mit verschiedenen Institutionen beinhaltet, ist bei mir angesiedelt. Aufgrund meiner beruflichen Erfahrung als Jurist in der Wirtschafkammer kann ich da sehr viel einbringen. Wichtig ist das Verständnis, dass die sportlichen Entscheidungen Einfluss auf die Verwaltungsebene haben, aber auch umgekehrt. In den letzten Jahren bin ich auch in den Vorstand des Weltverbandes gewählt worden und habe die internationale Entwicklung mitgestalten dürfen. Mit der Aufnahme als „ordentliches Mitglied“ in das IOC ist uns ein großer Erfolg gelungen. Wir haben es auch geschafft, dass Kick- und Thaiboxen als Disziplin bei den European Games 2023 dabei sein werden. In Zukunft wollen wir es auch in das olympische Programm schaffen – das ist unser klares Ziel.
Normalerweise schimpfen AthletInnen schnell einmal über den Verband. Bei ihrem Verband scheint das anders – alle loben und sind vom Engagement, etc. begeistert. Woher kommt dieses Standing?
Gstättner: Ich bin da immer ein bisschen skeptisch. Ich kenne durchaus die eine oder andere Kritik. Das ist legitim, es gibt logischerweise immer unterschiedliche Betrachtungsweisen. Jede Person sieht die Dinge aus einer anderen Perspektive – es gibt selten ein „ganz richtig“ oder „ganz falsch“. Gerade die letzten zwei Jahre waren durch die Corona-Pandemie von äußeren Einflüssen geprägt. Wir haben versucht das Beste daraus zu machen. Zum einen wollen wir einen wichtigen Teil dazu beitragen, die Pandemie einzudämmen, zum anderen haben wir versucht unseren Sportlerinnen und Sportler einen bestmöglichen Service zu bieten. Ich denke, der Einsatz wurde aber schon gesehen und honoriert.
Von Ende 2019 bis Ende 2021 hat man doch aufgrund der Corona-Pandemie einige Vereine und Mitglieder verloren. Kann man die alle wieder zurückgewinnen
Gstättner: Das Problem hat alle Sportarten hart getroffen und ist ein großes Thema. Ich denke, man muss diese Krise zum Anlass nehmen, und schauen, was wir in allen Bereichen besser machen müssen – auch wenn es die Krise nicht gegeben hätte. Wir müssen ein besseres Umfeld schaffen und auch die Sportförderungen nachhaltiger anlegen. Die 80 Millionen aus dem Fördertopf sind seit fast 15 Jahren konstant gleich. Wir als Verband bekommen in Wirklichkeit Jahr für Jahr aber weniger heraus, da das Geld weniger wert wird. Es geht da nicht nur ums Geld, sondern man sieht auch, welchen Wert die Politik dem Sport einräumt. Würde das Thema als wichtig eingestuft werden, wäre da sicher schon mehr passiert. Ein anderer wichtiger Faktor ist, dass Sport auf der administrativen Ebene (Anm.: Sozialversicherung, Steuer, Förderungen, etc.) immer komplexer wird und dabei viele Vereine an ihre Grenzen stoßen.
Man muss für die Kinder Möglichkeiten zum Sportausüben schaffen und sie polysportiv, auch in den Ferien, bewegen. Ich komme da gerne auf die tägliche Turnstunde zurück, das wäre meiner Meinung nach, ein sehr wichtiger Startschuss. Es wird ja schon lange diskutiert, aber im Endeffekt passiert dann doch nichts.
Wie sehen Sie die Entwicklung in den letzten Jahren
Gstättner: Die Entwicklung in unserer Sportart stimmt mich sehr positiv. Es ist sehr erfreulich, dass, wenn man die Ergebnisebene betrachtet, die Damen mittlerweile gleich erfolgreich sind, wie die Herren, vielleicht sogar erfolgreicher. Es hat schon immer gute Einzelsportlerinnen gegeben, aber in der Vergangenheit, war Kickboxen immer ein Männersport. Für die World Games im Juli haben sich jedoch mit Stella (Anm.: Hemetsberger), Nina (Anm.: Scheucher) und Rebecca (Anm.: Hödl) gleich drei Athletinnen qualifizieren können. Wir hoffen auf ein gutes Abschneiden, was auch in Hinblick auf die Sportförderungen sehr wichtig wäre. Unterm Strich kann man sagen, dass wir nicht die große Masse an Athletinnen und Athleten haben, aber dafür sind wir sehr erfolgreich. Darauf sind wir sehr stolz.
Bei vielen Verbänden ist der Hauptsitz in Wien. Beim Österreichische Fachverband für Kick- und Thaiboxen ist es Kärnten. Kann man sagen Kärnten ist die Hochburg?
Gstättner: Wir hatten nie in Wien eine Zentrale. Früher war der Verbandssitz lange in Graz. Ich bin beruflich sehr viel in Wien und stehe mit den verschiedenen Institutionen und wichtigen Entscheidungsträgern in intensiven Kontakt. Die Präsenz ist sehr wichtig, von Kärnten aus wäre das sonst oftmals schwierig. Aber durch die virtuellen Möglichkeiten wurde der Austausch noch einmal merklich verstärkt.
Momentan ist Kärnten mit Sicherheit ein Aushängeschild. Kickboxen ist zwar ein Individualsport, aber es entwickeln sich immer wieder Cluster in den verschiedenen Bundesländern. Über viele Jahre war eine Gruppierung in Wien unter dem „Leithammel“ Ernst Dörr sehr erfolgreich. Dann gab es einen Cluster in Graz um Peter Land und Harald Ehmann. Tatsache ist, dass man eine Trainingsgruppe von knapp 10 Personen braucht, um erfolgreich zu sein. Alleine ist man im Kampfsport verloren, da man gute Sparringpartner für die Entwicklung braucht. Aktuell ist Velden in Kärnten der Mittelpunkt. Gerald Zimmerman war selbst ein sehr guter Sportler, hat mit einem eigen initiierten Hallenbau super Rahmenbedingungen geschaffen und rund um seine beiden Söhne eine starke Gruppe aufgebaut. Jetzt befinden sie sich aber gerade in einer spannenden Phase. In der U19 haben sie alles gewonnen, was es zu gewinnen gab, müssen sich jetzt aber in der Allgemeinen Klasse behaupten. Wir werden in den nächsten beiden Jahren sehen, ob die Erfolgsgeschichte weitergeschrieben werden kann.
In wenigen Wochen beginnt die zweite Auflage der Sport Austria Finals powered by Intersport & Holding Graz. Was ist von der Premiere 2021 hängengeblieben? Was sind die Erwartungen für 2022 und wie wichtig sind solche Multi-Sportveranstaltungen für den Verband?
Gstättner: Uns hat es 2021 getaugt. Das hat aber auch bei mir meiner einer sentimentalen Sache zu tun. Vor 42 Jahren bin ebenfalls in der UNION-Halle erstmals Staatsmeister geworden – da verbinde ich logischerweise sehr viele schöne und spannende Erinnerungen, demnach war die Einstellung sehr positiv. Alle waren froh, dass man endlich wieder bei einer großen Veranstaltung kämpfen konnte, auch wenn die Rahmenbedingungen für eine große Zusatzbelastung gesorgt haben. Es war die Auferstehung des Sports und ein wahres Sportfest. Es hatte seinen besonderen Reiz.
Wir freuen uns schon auf die zweite Auflage und haben im letzten Jahr sehr viele Erfahrungen sammeln können. Neben dem Kickboxen werden 2022 auch die Bewerbe im Thaiboxen sowie viele Nachwuchsbewerbe ausgetragen. Das wird eine super Geschichte, zumal heuer Zuschauer eingeplant sind.
Wir danken sehr herzlich für das Gespräch!