Darts als Präzisionssportart ist im Schwerpunkt von einer perfekten Koordination zwischen Auge und Hand abhängig. Seit Juni 2020 ist der Österreichische Dartsverband assoziiertes Mitglied der Sport Austria, was gleichbedeutend mit einer offiziellen Sportanerkennung ist. Nach einer 30-jährigen Odyssee wird der ÖDV im Oktober 2022 hoffentlich auch Vollmitglied und ist daher mittendrin statt nur dabei. Im Zuge der Sport Austria Finals powered by Intersport & Holding Graz haben wir uns mit Dietmar Schuhmann unterhalten, der neben seinem Job als Architekt ehrenamtlich in vielen verschiedenen Funktionen bei den unterschiedlichen Dartsverbänden tätig ist.
Können Sie sich noch an Ihre Darts-Anfänge erinnern?
Dietmar Schuhmann: Das ist doch schon 13 Jahre her, aber in der Zeit ist sehr viel passiert. Ich bin eher zufällig durch einen damaligen Arbeitskollegen hineingerutscht. Der hat auf der Baustelle im Container eine Dartsscheibe aufgehängt. Zuerst habe ich heimlich ein bisschen probiert, dann immer mit ihm zum Zeitüberbrücken gespielt. Nach einigen Monaten hatte er einmal einen schlechten Tag und ich habe dann etwas glücklich mein erstes Leg gewonnen – das war ein tolles Gefühl. So bin ich dann zum Darts gekommen und habe dann schnell an ein paar offiziellen Trainings teilgenommen. Ich war da noch nicht so lange in Österreich, konnte dadurch aber viele Leute auch abseits der Arbeit kennenlernen, schnell an Turnieren teilnehmen und habe beim DC Darts-Control dann auch sukzessive Funktionen im Verein eingenommen.
Irgendwann habe ich beim Wiener Dartsverband eine der Ligaleitungen übernommen, bin dann in den Vorstand gekommen und letztendlich auch beim Österreichischen Dartsverband Vize-Präsident und Jugendbetreuer geworden (Anm.: 2014: DC Darts-Control, 2014: Wiener Dartsverband; 2017: Österreichischer Dartsverband; 2019: Welt Dartsverband). Speziell die Jugendbetreuung ist nirgends sonderlich beliebt und es ist immer schwierig für diesen sensiblen Bereich ehrenamtlich Tätige zu finden, die wollen und können. Ich habe da sehr viel Potential gesehen und wollte einfach etwas bewegen. Wichtig ist es, den Kindern und Jugendlichen attraktive Angebote im Dartssport zu machen und ihnen Möglichkeiten aufzuzeigen.
Das war aber auch für mich der Türöffner für die Zusammenarbeit mit den Landesverbänden in Österreich, dann aber auch immer mehr mit den benachbarten nationalen Dartsverbänden und am Ende auch für den Welt Dartsverband (WDF), in den wir uns als ÖDV intensiv einbringen. So bin ich dann auch hier in den Jugendbereich innerhalb des Vorstandes der WDF gewählt worden.
Ein sehr straffes Programm, das ich aber gerne auf mich nehme. Ich habe meine große Leidenschaft gefunden. Man darf aber nicht vergessen, dass diese Positionen und Aktivitäten alle ehrenamtlich erfolgen und ich im Hauptberuf als Architekt (Anm.: Abteilungsleiter im Baumanagement in einem Ziviltechniker Büro) tätig bin.
Mit Mensur Suljovic, Rowby-John und Rusty-Jake Rodriguez gibt es immerhin schon drei Aushängeschilder, die sich international bei der PDC einen Namen gemacht haben. Die Spitze ist sozusagen vorhanden, aber wie schaut es mit dem Nachwuchs in Österreich aus?
Schuhmann: Natürlich bekommen viele erst mit den Übertragungen der Spiele von Mensur und Co überhaupt erst mit, dass man Darts nicht nur im Keller, sondern auch im Verein und sehr erfolgreich als Sport betreiben kann. Ohne diesen Anlass würden viele gar nicht erst in die Vereine finden. Damit man genau diese Initiative gut aufgefangen kann, haben wir uns bemüht, in diesen Bereich in den letzten Monaten und Jahren sehr viel Arbeit und Energie hineinzustecken. Mittlerweile konnten wir schon eine sehr gute Basis aufbauen. Wir haben versucht ideale Rahmenbedingungen nicht nur für Anfänger und Einsteiger, sondern speziell auch für Kinder und Jugendliche zu schaffen und wollen punktuell mit Leuchtturmprojekten in allen Bundesländern neue Reize zu setzen. Uns ist es wichtig, dass wir nicht nur dasitzen und auf unser Glück warten, man muss ein attraktives Angebot schaffen, erst dann kommt die Nachfrage. Wir sind aber optimistisch, dass wir viele Kinder und Jugendliche von unserem Sport begeistern können.
Darts kämpft ja oftmals mit dem Image und wird schnell als „Kneipensport“ abgestempelt. Was entgegnen Sie dem beziehungsweise was tut der Verband dagegen?
Schuhmann: Das ist leider richtig, wir werden oft als „Kneipensport“ abgestempelt, auch wenn das klassische „Beisl“ nicht mehr das ist, was es vor vielen Jahren war. Gerade mit jüngeren Kindern und Jugendlichen tun sich deren Eltern extrem schwer, sie, statt auf den Fußballplatz am Anfang in ein Lokal zum Dartsspielen zu schicken.
Dementsprechend war es traditionell so, dass der Nachwuchs zu 60-70 Prozent aus dem Bereich der bereits aktiven Spielerinnen und Spieler kam und durch die Familie zum Darts gefunden hat.
Durch die Sportanerkennung und das Umdenken gerade bei den Vereinen hat sich da aber schon ziemlich schnell etwas geändert, und dass trotz Pandemie. Viele Vereine sind nicht mehr in Lokalen beheimatet, sondern haben den Weg zu eigenen Vereinsheimen oder Sportstätten gefunden. Natürlich passiert das nicht über Nacht, sondern braucht Zeit und natürlich auch Geld sowie ehrenamtliche Ressourcen, aber die Tendenz ist bereits deutlich erkennbar.
Prinzipiell haben wir einen großen Vorteil. Mit dem Darts kann man jederzeit anfangen – egal ob man jung, alt, weiblich oder männlich ist. Es gibt de facto kein Ablaufdatum. Das ist übrigens anders als bei vielen anderen Sportarten. Dort wird man nach der aktiven Karriere gar nicht so selten Trainer, häufig danach auch Funktionär. Das ist bei uns etwas anders. Es gibt viele Spielerinnen und Spieler, die erst Mitte 50 beginnen und dann noch erfolgreich werden. Das Thema ist dann aber, dass wir weniger Funktionäre haben. Man muss einfach schauen, dass dann nichts auf der Strecke bleibt – vor allem bei der Jugendarbeit.
Mit knapp 10 Prozent sind die Damen in der Männer-Domäne Darts nicht nur in Österreich noch in der Unterzahl. Wie wichtig sind – wenn man international schaut – beispielsweise Fallon Sherrock für eine positive Entwicklung in diesem Bereich?
Schuhmann: Jedes Vorbild ist immer wichtig – ob national gesehen, geschlechterbezogen oder auch auf viele andere Arten. Von daher ist eine erfolgreiche Dame mit Sicherheit auch ein Grund für weitere positive Entwicklungen der Damen auch in Österreich – sowohl was Quantität, aber auch Qualität angeht. Wir haben auch bei uns die Thematik, dass nur knapp 10 Prozent der Lizenzspielerinnen und -spieler weiblich sind, egal in welchem Alter. Das ist tatsächlich nicht nur bei uns so, sondern zieht sich wie ein roter Faden durch alle internationalen Verbände.
Da Darts keine körperbetonte Sportart ist, sind Frauen und Männer von der Jugend an in den meisten Ligen und einigen Turnieren gemischt. Man bemerkt aber schon den zahlenmäßigen Überhang bei den Männern, die sich einfach aufgrund der großen Anzahl meist gegenüber den Damen durchsetzen können. Daher gibt es bei Ranglistenturnieren üblicherweise auch eigene Damenbewerbe. Fallon Sherrock und Lisa Asthon – um nur zwei zu nennen – haben aber gezeigt, dass sie an der Spitze mithalten und die Männer nicht nur fordern, sondern auch regelmäßig schlagen können. Warum das am Ende aber nur so wenige konstant können, ist leicht erklärt: Nimmt man das Verhältnis der Masse zur Spitze, ist es sehr ähnlich wie bei den Herren. Die Ausgangssituation ist einfach eine andere. Tatsache ist, dass derartige Aushängeschilder einen Boom auslösen können – zuerst in ihren Ländern, aber dann auch auf internationalem Boden. Das merkt man.
Der österreichische Dartsverband ist aber auch bemüht, sich stetig weiterzuentwickeln. Aktuell haben Sie dem Bereich Para-Sport eine wichtige Rolle gegeben und wollen langfristig etwas aufbauen. Wie ist hier der Status?
Schuhmann: Wir haben Konzepte entwickelt und sind strukturell bereit. Für uns ist das ein sehr wichtiges Thema, da wir allen Menschen, die Darts spielen wollen, das auch so ermöglichen wollen. Bei uns im Verband ist Martin Binder federführend dafür verantwortlich und hat sehr viel Pionierarbeit geleistet. Das Angebot steht, nun müssen wir es noch unter die Leute bringen. Aktuell gibt es noch wenig Nachfrage und wir haben damit noch nicht die breite Masse erreicht – das muss sich erst herumsprechen. Aber da sind wir dran. Sollten wir jetzt das Interesse geweckt haben, freuen wir uns über eine direkte Kontaktaufnahme.
Viele Leute, die Darts so nebenbei verfolgen, glauben, dass die PDC (Professional Darts Corporation) und die WDF (World Darts Federation) das gleiche ist. Können Sie uns da kurz aufklären?
Schuhmann: In der Tat ist der Irrglaube weit verbreitet das wären konkurrierende Verbände. Dies ist mitnichten der Fall. Die WDF ist der Welt Dartsverband, da hängen alle nationalen Verbände und deren Untergliederungen bis zu den Vereinen und deren jeweiligen Spielerinnen und Spieler dran und beinhaltet generell vor allem den Breiten aber auch den Spitzensport bis hin zu den Weltmeisterschaften. Das Ziel des Verbandes ist es, den Dartssport zu fördern und vor allem natürlich Quantität und auch Qualität der Spielerinnen und Spieler weltweit kontinuierlich zu verbessern.
Die PDC hingegen ist ein Unternehmen, das sich darauf spezialisiert hat, Dartsveranstaltungen durchzuführen und damit Profit zu erwirtschaften. Dazu werden 128 Spielerinnen und Spieler unter Vertrag genommen – objektiv betrachtet sicher die absolute Darts-Elite.
Bei diversen Turnier-Veranstaltungen tritt eine unterschiedliche Anzahl dieser Profis regelmäßig gegeneinander an und die Zuschauer zahlen – ähnlich wie die Fans in Fußballstadien – entsprechend Eintritt. Zusätzlich wird mit Werbeverträgen und Senderechten ausreichend Einnahmen produziert, um die Stakeholder mit einer möglichst hohen Rendite zu versorgen. Es geht daher nicht primär um den Sport, sondern um ein Event.
Dementsprechend gibt es unter dem Dach der WDF eine Weltrangliste, für die man an den unterschiedlichen Weltranglistenturniere Punkte erspielen und sich dann für Weltmeisterschaften und andere Major-Turniere qualifizieren kann.
Bei der PDC mit der „Order of Merit“ verhält es sich in wenig anders: Es gibt die scherzhaft genannte „Geldrangliste“, die sich aus dem erspielten Preisgeld eines Spielers zusammensetzt.
Die Turniere des Weltverbandes sind hingegen für alle Spielerinnen und Spieler offen, haben unterschiedliche Bewerbe für Jugendliche, Damen, Herren, Einzel- und Doppelbewerbe und bei den großen Turnieren können schon einmal deutlich über 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sein – es soll einfach ein attraktives sportliches Kräftemessen sein.
In wenigen Wochen beginnt die zweite Auflage der Sport Austria Finals powered by Intersport & Holding Graz Was sind die Erwartungen für 2022 und wie wichtig sind solche Multi-Sportveranstaltungen für den Verband?
Schuhmann: Wir wollten letztes Jahr unbedingt teilnehmen, aber die Corona-bedingten Vorgaben haben uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber wie heißt es so schön: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wir haben eine große Halle zugeteilt bekommen, das ist perfekt. Unsere letzte Staatsmeisterschaft für das Jahr 2021 hatten wir erst im Februar nachgeholt, das war für uns quasi die große Generalprobe. Wir werden die Bereiche der Turnierleitung, der Boardanlage und des Livestreams optimieren und hoffentlich die beste Staatsmeisterschaft in der heimischen Dartsgeschichte umsetzen.
Aktuell haben wir knapp 1.300 Lizenzspielerinnen und -spieler in Österreich, die generell alle spielberechtigt für die Staatsmeisterschaften im Juni in Graz sind. Wir gehen davon aus, dass rund 500 davon in Graz bei den Sport Austria Finals antreten werden. Wir spielen an zwei Tagen und haben ein umfangreiches Programm. Wie es aussieht, wird Russ Bray, mit der wohl bekanntesten Stimme im internationalen Dartssports als Caller dabei sein – das wertet die Veranstaltung noch einmal richtig auf. Unsere Vorfreude ist schon richtig groß.
Wir danken sehr herzlich für das Gespräch!