(Natur)Bahn frei für eine neue Ära

So richtig in der Rodel-Pension angekommen sind Michael Scheikl und Tina Unterberger noch nicht. „Irgendwie fühlt es sich normal an, weil die Saison ja jetzt sowieso vorbei wäre. Vom Ablauf her ist noch nicht viel anders. Ich habe lediglich die ganzen Rodelsachen anders verräumt und zum Teil auch Sachen verkauft bzw. weitergegeben“, sagt Scheikl. Seine langjährige Weggefährtin Tina Unterberger hat das endgültige Karriereende ebenfalls noch nicht wirklich realisiert. „Bei mir ist es auch noch gar nicht angekommen. Bislang fühlt es sich an wie immer. Ich werde es wahrscheinlich erst im Herbst realisieren, wenn es eigentlich wieder losginge.“

So lange braucht Gerald Kammerlander nicht, um einzuordnen, wie schwer die Rücktritte seiner zwei Aushängeschilder wiegen. Der Sportdirektor und Cheftrainer der Sparte Naturbahn weiß jetzt schon, wie sehr Scheikl und Unterberger dem Team fehlen werden. „Michael war seit dem Rücktritt von Thomas Kammerlander derjenige, der die Siege und Podestplätze in Serie eingefahren hat. Er wird massiv fehlen. Bei Tina ist es ähnlich. Sie war unsere Miss Naturbahnrodeln. Sie hat den Sport gelebt und wird an allen Ecken und Enden fehlen. Nicht nur rodlerisch, sondern auch als Unikat, als Mensch.“

Starke Winter-Saison 2024/2025

Wie groß die Lücke sein wird, die die Beiden hinterlassen, sieht man alleine schon an der abgelaufenen Saison. Scheikl krönte seine Karriere mit dem noch fehlenden WM-Titel und verpasste den Gesamtweltcupsieg als Zweiter nur ganz knapp. Unterberger belegte im Gesamtweltcup hinter Seriensiegerin Evelin Lanthaler (ITA) ebenfalls Platz zwei und war damit beste Österreicherin. „Bei der WM ist alles aufgegangen – fast kitschig! Ich habe schon zu Beginn der Saison gespürt, dass ich niemanden etwas beweisen muss, außer vielleicht mir selbst. Der Druck war quasi nicht da. Das hat vieles erleichtert. Dass es am Ende nicht ganz zum Gesamtweltcupsieg gereicht hat, ist schade, aber verschmerzbar. Der WM-Titel überstrahlt natürlich alles“, resümiert Scheikl.

Unterberger ist mit ihrer letzten Saison ebenfalls zufrieden. „Platz zwei im Gesamtweltcup ist bei uns intern sowas wie der erste Platz, weil Evelin in einer bestechenden Form war, eine perfekte Materialabstimmung und auch dementsprechend Zeit hatte. Ich bin ja nur eine Hobby-Rodlerin gewesen, war immer Vollzeit beschäftigt und musste bis zur nächsten Rodelbahn immer mehrere Stunden fahren. In Südtirol sind sie in der glücklichen Lage, dass sie innerhalb von einer halben Stunde sechs, sieben Bahnen zur Verfügung haben. Deshalb war für mich Platz zwei im Gesamtweltcup das absolute Maximum.“ Apropos Südtirol: Neben Scheikl und Unterberger haben auch die italienischen Rodel-Legenden Evelin Lanthaler, Florian Clara und Patrick Pigneter ihre Karriere beendet. Dementsprechend bricht im Naturbahnrodeln nun eine neue Ära an.

Neue Zeitrechnung im Naturbahnrodeln

„Jetzt sind die letzten Mohikaner, die sogar noch mit mir gefahren sind, zurückgetreten. Evelin ist die beste Naturbahnrodlerin aller Zeiten und hat in den vergangenen Jahren alle Weltcup-Rennen gewonnen. Bei den Herren sind jene drei Fahrer weg, die meist auch unter den ersten Drei waren“, analysiert Kammerlander. Es werde also kommende Saison definitiv neue Siegergesichter geben. „Es findet ein kompletter Generationenwechsel statt. Das Feld wird sowohl bei den Herren als auch bei den Damen neu durchgemischt. Die jungen Wilden können nun vorpreschen“, so Scheikl. Aus österreichischer Sicht ruhen die Hoffnungen vor allem auf Riccarda Ruetz, die ihr Können trotz ihrer erst 20 Jahre bereits mehrfach unter Beweis gestellt hat und zuletzt bei der Heim-WM Silber holen konnte.

„Riccarda hatte nach dem hervorragenden letzten Jahr diese Saison ein Lehrjahr. Sie hat zwar bei der WM Silber geholt, aber sonst keinen Podestplatz im Weltcup. Diese Entwicklung ist jedoch völlig normal – die zweite Saison ist meist die schwierigere, weil sich viele mehr erwarten. Für mich ist Riccarda weiterhin die Rodlerin, die Evelin einmal ablösen kann. Allerdings gibt es auch noch viele andere gute Athletinnen“, will Kammerlander die Erwartungshaltung nicht noch größer machen. Auch Scheikl warnt davor, Ruetz als die „nächste Evelin Lanthaler“ zu bezeichnen. „Das so zu fordern, wäre fatal. Alleine schon, weil Evelin über so viele Jahre so viele Siege eingefahren hat. Das wird wahrscheinlich auch nie übertroffen werden. Ricci ist aber auf jeden Fall aus österreichischer Sicht das große Zugpferd und ich traue ihr auch zu, dass sie die nächsten Jahre immer um den Gesamtweltcup mitfährt. Sie hat auch bei der Heim-WM gezeigt, dass sie einem großen Druck standhalten kann.“

Ich habe ja Sport studiert, deswegen wäre es schon interessant, das Wissen dahingehend zu vertiefen. Man müsste sich allerdings auch anschauen, wie das zeitlich aussehen würde. Abgeneigt bin ich nicht – außerdem möchte ich auch etwas zurückgeben.

Tina Unterberger

Rückkehr in den Rodelsport?

Möglicherweise helfen Scheikl und Unterberger künftig auch mit, die jungen Wilden im österreichischen Team zu unterstützen. Denn Kammerlander hätte die beiden Rodel-Legenden gerne weiterhin im Rodelsport – in welcher Funktion auch immer. „Ich habe mit Beiden ausgemacht, dass wir im Frühjahr Gespräche führen. Ich hoffe, dass sie in irgendeiner Art und Weise für uns zur Verfügung stehen. Michael kann alles – er ist im Materialbereich, als Trainer oder als Funktionär einsetzbar. Er könnte viele Facetten erfüllen. Bei Tina ist es ähnlich“, so Kammerlander.

Die beiden Aushängeschilder wären auch nicht abgeneigt, „ihrem“ Rodelsport weiter treu zu bleiben. „In welchem Ausmaß, wann und wo steht aber noch in den Sternen“, bremst Scheikl die Erwartungen. „Ich muss mir da Zeit nehmen und brauche auch etwas Abstand für mich.“ Ähnlich ist die Situation bei Unterberger, die mit ihrer Lebensgefährtin einen sechs Monate alten Sohn hat und ihren Fokus auch auf die Familie legen will. Die 38-Jährige kann sich aber vorstellen, in irgendeiner Art und Weise dem Rodelsport erhalten zu bleiben. „Ich habe ja Sport studiert, deswegen wäre es schon interessant, das Wissen dahingehend zu vertiefen. Man müsste sich allerdings auch anschauen, wie das zeitlich aussehen würde. Abgeneigt bin ich nicht – außerdem möchte ich auch etwas zurückgeben.“

Die aktive Karriere ist aber definitiv beendet. Was auch bedeutet, dass es keine Abschiedsvorstellung auf der Rollenrodel im Rahmen der Sport Austria Finals geben wird, wie Scheikl und Unterberger betonen. Dass sie am Bergisel dennoch dabei sind, um ihre Nachfolger:innen unter die Lupe zu nehmen, schließen sie hingegen nicht aus. „Vielleicht schau‘ ich vorbei. Die Sport Austria Finals sind eine Mega-Veranstaltung, das Konzept ist richtig geil“, schwärmt Unterberger.

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