Zweimal war Andreas Gstöttner schon knapp dran, im dritten Anlauf soll es klappen. In Paris will sich der Bogenschütze den Traum von einer Teilnahme bei den Olympischen Spielen erfüllen. Dafür setzte der 27-jährige Niederösterreicher alles auf eine Karte und wagte einen im Bogensport mehr als ungewöhnlichen Schritt: Gstöttner wechselte die Hand und schießt seit einigen Monaten mit rechts statt links. Vor den Olympischen Spielen will er sich in Innsbruck bei den Sport Austria Finals powered by Österreichische Lotterien den letzten Feinschliff holen – und seine Sportart bekannter machen.
Im Olympic Recurve ist Gstöttner seit Jahren Österreichs Aushängeschild. Zweimal war er, 2019 in Minsk und 2023 in Krakau-Malopolska, bei Europaspielen dabei. Ebenso oft, 2016 in Rio und 2021 in Tokio, war er knapp an einer Teilnahme bei Olympischen Spielen dran, verpasste jedoch die Qualifikation knapp.
Dann kam Corona, die Luft war draußen, der Tank leer. „Die Leistungen sind stagniert, ich habe mir immer wieder die Frage gestellt, warum ich das überhaupt noch mache. Der Spaßfaktor war überschaubar, die Motivation nicht mehr wirklich da. So wollte ich nicht mehr weitermachen“, berichtet Gstöttner. Ein Gedanke ließ ihn nie los: „Was wäre mit der anderen Hand möglich?“
Gewagt und einzigartig
Dazu muss zurückgeblickt werden. Im Bogenschießen gibt es zwei Methoden und somit zwei Lager, die Schusshand kann nach dem dominanten Auge oder der dominanten Hand bestimmt werden. So kam es, dass Rechtshänder Gstöttner, aufgrund seines dominanten linken Auges, mit links schoss. „Als ich mit dem Bogenschießen begonnen habe, war das eigentlich nicht so wichtig. Ich hatte ja zunächst nicht die Ambitionen, Profi zu werden, das hat sich erst nach und nach entwickelt.“ Während er sich Schritt für Schritt verbesserte, blieb er Linksschütze.
„Schon 2013 hat mein Coach gesagt, dass ich nach rechts gehöre. Ich hatte aber stets Erfolge, das Scoring wurde immer besser, da stellt man dann nicht so einfach die Hand um“, erinnert sich der zehnfache Staatsmeister. „Erst als es dann nicht mehr nach Wunsch lief, kam mir das immer wieder in den Hinterkopf.“
Also entschied sich Gstöttner im letzten Sommer für einen gewagten – und im Bogensport einzigartigen – Schritt. Er wechselte im Alter von 27 Jahren die Hand. „Es war ein Experiment, ich wollte es versuchen. Wir haben mit vielen Coaches gesprochen, auch international, und eigentlich haben alle gesagt, dass sie noch nie von einer derartigen Umstellung im höheren Alter gehört haben.“
Schnelle Fortschritte
Beginnen musste Gstöttner von vorne. Vielleicht nicht ganz von null, denn zum Spaß und in der Freizeit schoss er immer wieder mit der rechten Hand – von internationalem Niveau konnte zu Beginn aber keine Rede sein. „Es war so, als würde ich das Bogenschießen neu lernen. Ich habe 17 Jahre lang mit links geschossen, der ganze Körper war darauf ausgerichtet und musste sich umstellen. Es ist ein krasser Unterschied“, sagt der Heeressportler. Einziger Vorteil: „Ich wusste immerhin, wie es sich anfühlen sollte, nur auf der anderen Seite. Deswegen ist es mir wahrscheinlich leichter gefallen.“
Denn die Umstellung machte sich schnell bezahlt und Gstöttner in kurzer Zeit große Fortschritte. „Ich war echt überrascht, wie rasch es gegangen ist. Die Konstanz fehlt noch, ich bin noch nicht da, wo ich 2018 zu meiner besten Zeit mit links war, aber sicher schon auf dem Niveau der letzten zwei Jahre. Und am wichtigsten: Ich habe die Liebe zum Sport wiederentdeckt.“
Mit dieser Motivation will es der Niederösterreicher erstmals zu Olympischen Spielen schaffen. Zwei Chancen zur Qualifikation gibt es noch: Die erste bei der Europameisterschaft in Essen (GER) von 4. bis 12. Mai, die zweite beim „Finalen Qualifikationsturnier“ in Antalya (TUR) von 14. bis 16. Juni. Gstöttner: „In der Türkei ist die Chance wahrscheinlich größer, weil ich bis dahin noch einmal mehr Zeit habe, um mit rechts besser und konstanter zu werden. Die Olympischen Spiele in Paris sind ein riesengroßer Traum, der mich täglich antreibt.“
Finals-Premiere im Tivoli-Stadion
Zuvor geht es für Gstöttner und Co. vom 29. Mai bis 2. Juni zu den Sport Austria Finals powered by Österreichische Lotterien nach Innsbruck. Bogenschießen feiert dabei seine Premiere bei den Finals, die Vorfreude ist groß. „Das Event ist richtig cool, ich habe es in den letzten Jahren verfolgt und kenne es auch aus Deutschland. Dort ist Bogenschießen schon länger dabei und hat dadurch große Beliebtheit erlangt, das kann auch für uns eine große Chance sein.“
Die Bilder aus Innsbruck werden jedenfalls atemberaubend, schließlich finden die Bewerbe im Tivoli-Stadion statt. „Es wird sicher sehr cool, dort zu schießen. Hoffentlich sind viele Leute im Stadion dabei und feuern uns an.“
Ausgetragen werden die Österreichischen Staatsmeisterschaften im Olympic Recurve und im Compound. Von Freitag bis Sonntag (31. Mai bis 2. Juni) stehen in beiden Disziplinen Einzel, Team und Mixed auf dem Programm, der Eintritt ins Tivoli-Stadion ist frei. Für Gstöttner geht es um den elften Staatsmeistertitel – und den Form-Check vor der letzten Quali-Chance für Paris.