Zwischen Familie, Fernweh und der großen Darts-Bühne. Wenn Rowby-John Rodriguez über Darts spricht, dann spürt man sofort: Hier redet jemand, der mit dem Sport groß geworden ist – im wahrsten Sinne des Wortes. Schon in jungen Jahren flogen die ersten Pfeile in der Wiener Wohnung durch die Luft. Und längst ist der 31-Jährige selbst einer der bekanntesten Namen in heimischen Darts-Szene.
„Mein Vater war der Erste bei uns in der Familie“, erzählt Rodriguez. „Der hat in den 90ern schon auf einem sehr hohen Niveau gespielt. Als meine Mutter dann abends gearbeitet hat, musste er mit dem Darts aufhören – und genau da sind wir Kinder ins Spiel gekommen.“ Aber es ging bei Familie Rodriguez nicht nur um Siege, vielmehr stand oftmals die Ehre und das Prestige im Vordergrund. „Wer verloren hat, musste Teller abwaschen oder staubsaugen“, lacht Rodriguez. „Ich habe als Kind öfter verloren – also war ich auch öfter dran mit dem Abwasch.“ Heute wird zuhause nicht mehr um Haushaltshilfen gespielt, aber der Familiensinn ist geblieben. „Mein Vater fragt mittlerweile, ob er beim Spielen Handicap bekommen kann – früher undenkbar. Aber genau das zeigt, wie sehr Darts bei uns immer noch Teil des Alltags war.“
Vom Bowling zur WM
2009 sah der heute 31-Jährige die Darts-WM im Fernsehen – und da war es um ihn geschehen. „Ich habe vorher Bowling gespielt, aber die WM war für mich so der Turning-Point: Mein Vater hat für uns mit dem Darts aufgehört – ich wollte ihm was zurückgeben.“ Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.
Schon während seiner Lehre war klar: Darts wird mehr als ein Hobby. „Ich habe gewusst, ich mach die Lehre fertig – und dann geh ich all in“, sagt er über den Start seiner Profi-Karriere. Und genau diese Message gibt er allen jungen Talenten mit auf den Weg. „Zuerst sollte man sich mit einer Lehre oder einem Schulabschluss absichern, dann kann der Fokus auf den Spitzensport gelegt werden.“
Neben dem eigenen Weg liegt ihm die Jugend spürbar am Herzen. Besonders im Blick hat er ein junges Talent: Alexander Lukic. Für den 14-Jährigen, den quasi nur eine Querstraße zu seinem Vorbild trennt, ist Rodriguez nicht nur ein Idol, sondern ist auch in eine Mentoren-Rolle geschlüpft. „Er spielt schon richtig gut und saugt die Tipps regelrecht
auf“, sagt Rodriguez. „Aber ich sag ihm auch: Schule geht vor. Der Rest kommt dann von selbst.“

Zwischen Tour-Card und Kinderspielplatz
Rodriguez war jahrelang fixer Bestandteil der PDC-Tour, spielte regelmäßig auf großen Bühnen gegen die besten Spieler der Welt. „Mit den Big Guns mitzuhalten – das ist das Ziel von jedem Darts-Spieler“, so der Wahl-Tiroler. „Aber man darf nicht nur die schönen TV-Bilder sehen. Dahinter steckt extrem viel Aufwand: Jede Woche nach England fliegen, Familie zurücklassen, ständig unterwegs sein. Es ist alles mit Stress verbunden und im Hintergrund bringt jeder Spieler sehr viele Opfer für den Sport. Diese Seite der Medaille wird leider zu selten gesehen. Es geht nicht immer nur ums Spielen bei den großen Events, es geht vielmehr auch um Verzicht. Das prägt einen Menschen.“
Heute ist das Familienleben wichtiger denn je. „Ich habe selbst zwei Kinder und genieße die Zeit zu Hause sehr.“ Die begehrte Tour-Card hat der 31-Jährige derzeit nicht, was neue Chancen bringt: „Ich kann endlich wieder für Österreich spielen. Ich war mit dem Nationalteam in Südafrika, demnächst vielleicht beim World Cup in Asien. Eine Tür geht zu, eine andere auf.“
Ein Crash, ein Baby und ein geplatzter Traum
Die letzte Q-School verlief alles andere als geplant: „Ich bin mit dem Auto acht Stunden nach Kalkar gefahren, meine Frau war hochschwanger. Nach vier Stunden hatte ich einen Totalschaden. Dann stand ich da: Zurückfahren oder weitermachen?“ Rodriguez fuhr weiter – mit mulmigem Gefühl. „Aber der Kopf war einfach nicht frei – das war’s dann auch mit der Tour-Card für 2025.“ Trotzdem sieht er es sportlich: „Vielleicht war das ein notwendiger Schritt zurück, um zwei nach vorne zu machen. Im Jänner 2026 werde ich wieder angreifen und versuchen mir das Ticket wieder zu holen.“

Sport Austria Finals und neue Ziele
Ein Highlight steht bereits an: die Sport Austria Finals powered by Österreichische Lotterien in Innsbruck. „Ich war 2015 schon einmal Österreichischer Staatsmeister – den Titel will ich mir zurückholen. Wenn man auf der PDC-Tour unterwegs ist, darf man diese Turniere leider nicht spielen. Aber heuer ist der Rahmen anders, ich freue mich und bin fix dabei.“
Das große Ziel? Zurück zur Tour-Card – und langfristig unter die Top-32 der Welt. „Wenn ich das schaffe, dann sehe ich auch die Top-16 vor mir“, sagt Rodriguez – nicht arrogant, sondern fokussiert.
Erfahrung als USP – und ein Bär auf der Bühne
Was ihn auszeichnet? „Erfahrung“, sagt er ganz ohne falsche Bescheidenheit. „Keiner außer Mensur (Anm.: Suljovic) hat mehr auf der Tour gespielt als ich.“ Auch sein Spitzname „Little John“ hat eine besondere Geschichte: „Das kommt von Robin Hood – dort ist Little John der große Bär. Und genau das will ich auf der Bühne sein.“